(Auszug)

…Gero Hellmuths Werke (sind) weniger realistische Darstellungen, denn Andeutungen, Ideenbilder, die vom Betrachter ein aktives Mitgestalten und Einfühlung verlangen. Er wählt bewusst die offene Form, damit der Betrachter in der Wahrnehmung seine Kreise ziehen kan. Er zieht bewusst den Umraum in seine Werke mit hinein, um jeder Begrenzung – auch des Betrachters – vorzubeugen. Die in der Linie aufgenommene Bewegung zeigt auch an, dass es im Leben keinen Stillstand gibt.

Nicht allein für den Hiob-Zyklus, sondern für das gesamte Werk Gero Hellmuths gilt, dass ihm das wichtigste künstlerische Gestaltungsmittel die Linie ist. Der Künstler setzt sie, indem er, wie bereits festgestellt, alle innere Bewegung in eine äußere transformiert, als „Psychographik“ (Alfred Kubin) ein. Indem er dies tut, wird sie, nicht zuletzt im Kontrast zuden gegenübergestellten Flächen, zum eigentlichen Thema. Gegenständliche und ungegenständliche Formen sind folglich gleichwertig. Deren gemeinsames Auftreten in den Werken stellt für Gero Hellmuth keinen Widerspruch dar und er erhofft sich im Betrachter, dass dieser ihm darin folgt und sich dem Fluss und der Gegenbewegung, der Rhythmik, der Verdichtung und Auflösung, dem Duktus, dem Steigen und Fallen, der Begrenzung und Entgrenzung der Linie anvertraut.

Darüber hinaus versteht er die Fähigkeiten der Linie auch zeichen- bzw. gleichnishaft. Der Kreis und dessen Teilelement, der Bogen, stehen traditionell für Vollkommenes. Die Krümmung entfaltet sichtbar Kraft. Unterbrechungen der Linie werden als Störung , gar als Dissonanz empfunden und Durchkreuzungen können als Verbindung aber auch als Verdichtung wahrgenommen werden. Wie sich der Ton im Raum entwickelt, so dringt für Gero Hellmuth die Linie vergleichbar in die Fläche vor. Häufig führt er diese über  den Bildrand hinaus, um das Bild zu erweitern und zu entgrenzen. Daher ist verständlich, dass das Rahmen des Bildes vermieden wird. Über das räumlich-körperliche Empfinden in der Musik, das Gero Hellmuth als Erfahrung in seinen Werken wieder aufscheinen lassen möchte, schrieb Peter Renz:  „Musik …erzeugt in uns die Imagination räumlicher Ausdehnung: KLangfülle, Klangräume entstehen, Die Vorstellung von Nähe und Ferne, verdichtendem Punkt und Linie, zerfließede Weite stellt sich ein. Unser Hörerleben, das ja neurophysiologisch auch für die Orientierung im Raum geschaffen ist, rekonstruiert gewissermaßen aus der abstrakten Qulität der Töne und Klänge mit Hilfe der Einbildungskraft eine räumlich-körperliche Entsprechung der Musik. Eine Räumlichkeit, die wir freilich weniger sehen, als vielmehr spüren.“

Auch in den Reliefen und Skulpturen greift der Künstler auf die Erfahrung der Linie, wie er sie in der Malerei und Zeichnunggemacht hat, zurück. Als Plastiker arbeitet er weniger mit Massen und festen Volumen, denn mit Stäben, Lineaturen und Vergitterungen, die sich in den Umraum entwickeln und diesen in sich aufnehmen. Hier wird deutlich, warum Gero Hellmuth der Weg in die Plastik ein konsequenter war. Jene Zwischenräumlichkeit, die in seinen Tafelbildern mehr Ahnung als Wirklichkeitist, wird in den Reliefen und Skulpturen zum erfahrbaren, sinnlich zu erschließenden Raum. Und die „zeichnende Elektrode“ (Gero Hellmuth) hinterlässt auf der reflektierenden, matt schimmernden Metallfläche, deren Art der Setzung auf die Geschwindigkeit des Vollzugs rückverweist.

Dass sich auch der Maler primär als Zeichner versteht, zeigt auch die Wahl, besser sein Vorbehalt gegen Farben an. In Gero Hellmuths Oevre gibt es keine lauten, leuchtenden Farben. Schwarz, Weiß und alle Abstufungen des Graus bestimmen die Szenerie. Andere Farben sind selten und sparsam gesetzt. Die Mischfarbe Grau, die alle Farben in sich hat, versteht der Maler, nicht zuletzt der benannten diffusen Räumlichkeit wegen, als einen sensiblen, geistigen Grund, als „Stille“, in der sich das Linienschauspiel entwickelt. Und so lag die Wahl des grauen Metalls beim Übergang zum Relief nahe. Schwarz, Weiß dagegen werden in ihrer Dualität als Kräfte verstanden, die dem Erleben von Laut und Leise im Musikalischen nahe kommen.

.Allen Arbeiten gemeinsam ist ihre sichtbare und die zu verspürende Nachdenklichkeit um die Bewältigung der Form, dessen „Auf-der-Suche-Sein“. Gero Hellmuth schätzt das Nonfinito, das diese Suche deutlich macht. Und es ist diese Suche, die – wie alle Kunst – einespezifische Form der Bewältigung der „Welt“ darstellt.

Christoph Bauer M.A., Leiter des Städt. Kunstmuseums Singen