Den 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs nutzen wir zu Recht als Anlass, uns unsere Geschichte wieder und neu zu vergegenwärtigen. Das ist auch gut. Denn sie wirkt fort und wir sind nach wie vor aufgerufen, Lehren aus ihr zu ziehen. Mit den beeindruckenden Mitteln der Kunst und der Sensibilität des Künstlers nicht nur für Form und Farbe, sondern auch für das Wort und die Musik widmet sich Gero Hellmuth in seinem Werk seit vielen Jahren dieser Aufgabe. Mit „…dass man mit ihnen redet“ ist ein Gesamt- und Gemeinschaftskunstwerk entstanden. Im Zentrum steht die deutsch-polnische Freundschaft, die vor dem Hintergrund einer langen und wechselhaften Nachbarschaftsgeschichte und der furchtbaren Gräuel des Zweiten Weltkriegs im vergangenen Jahrhundert erst langsam und vorsichtig wieder wachsen konnte. Ich freue mich, dass diese Ausstellung nach ihrer Station in den Räumen der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin nun auch in Singen zu sehen ist.

Gero Hellmuth widmet sich in seiner Arbeit den großen, den existentiellen Themen. Im Mittelpunkt des heutigen Abends steht das Triptychon „Auschwitz/Befreiung“. Es blickt in die tiefsten Abgründe grausamer Entmenschlichung – und findet in seiner Bildsprache doch eine Perspektive für Hoffnung und Zukunft: die „Befreiung“. „…dass man mit ihnen redet“ sucht nicht, Betroffenheit zu schaffen. Betroffenheit lässt uns in der Regel verstummen. Diese Ausstellung will mit Musik und Theater anregen zum Austausch, zusammenführen zum Dialog. Der Künstler regt uns an, die ausgestreckte Hand der Freundschaft, die gereicht wird, zu ergreifen. Das ist heute leider aktueller denn je, denn Frieden, Einheit und Verständigung sind auch in Europa keine Selbstverständlichkeit. Es sind kostbare Werte, die wir uns immer wieder neu erwerben müssen. Eine Aufgabe für die Länder, die Politikerinnen und Politiker, aber noch mehr für die Bürgerschaft, die durch ihr Handeln Brücken baut. Uns eint eine schreckliche gemeinsame Geschichte, hier sehen wir bestätigt, dass wir nur gemeinsam eine friedliche gemeinsame Zukunft haben können. Kurt Tucholsky wird das Zitat nachgesagt: „Freundschaft – das ist wie Heimat“. Wir wollen mit daran arbeiten, dass in diesen turbulenten Zeiten die deutsch-polnische Freundschaft ein gemeinsames Stück europäischer Heimat schafft als wichtiger Baustein eines friedlichen Europas der Zukunft.

Gisela Erler Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung in Baden-Württemberg, Stuttgart, 2015