Malen, um denen eine Stimme zu geben, die keine haben! Das ist die Absicht des Künstlers Gero Hellmuth. Seit einigen Jahren widmet er sich dem Thema der Kriegskinder. Die Flüchtlingsströme 2015 lösten in ihm Erinnerungen an seine frühe Kindheit aus. Das Schicksal von Vertreibung und Flucht hat er am eigenen Leib erfahren. 1940 in Neustrelitz in Mecklenburg geboren, erlebte er als Fünfjähriger die Angst und Entbehrungen auf der Flucht nach Westen. Über Schleswig-Holstein gelangte er nach Süddeutschland, absolvierte in Stuttgart sein Abitur und studierte Malerei in den 1960er Jahren an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe. Auch mit Freiburg verbinden ihn einige Studienjahre. Seit 1971 lebt Gero Hellmuth in Singen am Bodensee.
Überzeugt von der Möglichkeit, dass Kunst aufrütteln kann umkreist er in seinem Gemälde-Zyklus „Schrei der Kriegskinder“ das Thema der Traumatisierung von Kindern mit Kriegserlebnissen. Mal mit expressiver Gestik, leuchtenden Rottönen, die an Blut und Flammen erinnern, mal verhaltener in grauweißen Tönen und angedeuteter Bildsymbolik variiert der Künstler das Thema. So anklagend, fast pathetisch der Titel des Zyklus zu sein scheint, so differenziert und variantenreich sind die einzelnen in der Tradition des Informell und der gestischen Malerei stehenden Gemälde. Wer sich vor Bildüberforderung, vor gemaltem Grauen und Schrecken fürchtet, wird in der Ausstellung eines Besseren belehrt. Die Werke sind in weitgehend abstrakter Bildsprache gehalten, durchzogen von Zeichen und Symbolen. Häufig findet man Schrift, verwischte Buchstaben, nur einzelne Worte sind zu entziffern. So findet sich das Wort Hindernis, leuchtend weiß auf schwarzem Grund, nur die ersten vier, fünf Buchstaben sind zu lesen. Auch Zahlenreihen sind zu erkennen. Die Zahl 19 taucht wiederholt auf. Für den Künstler selbst sind sie mit einer Erfahrung aus der Kindheit verbunden.“ Die Zahl 19 verwende ich, wenn das Bild-Thema die Verletzung der Würde des Menschen berührt. Anlass dazu waren Filmdokumente über die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die Rote Armee am 27. Januar 1945. Eine Kamera zeigte die ersten Schritte der Befreiten auf dem Weg in die Freiheit. Ich sah die in den Arm eines Häftlings eingebrannte Nummer. Sie begann mit 1, dann 9, weitere Zahlen folgten. Diese 19 wurde für mich ein Symbol für den seines Gesichts, seines Namens, seiner Würde beraubten Menschen.“
Gero Hellmuth engagiert sich schon seit vielen Jahren in der Zusammenarbeit mit Künstlern aus Israel und Polen. Gemeinsam will man Zeichen setzen für Aussöhnung und gegen Krieg und Zerstörung. Anlässlich der Freiburger Ausstellungist es zu einem Projekt mit den Domsingknaben gekommen. Der Chorleiter Prof. Boris Böhmann hat eine eigene Komposition, basierend auf dem Psalm 130 „Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu dir“ geschaffen, die eigentlich bei der Eröffnung aufgeführt werden sollte. Corona bedingt kam es nicht dazu. Auf der Homepage der Katholischen Akademie kann ein Video mit dem unterlegten Gesang der Domsingknaben abgerufen werden (www.katholische-akademie-freiburg.de). In dieser Ausstellung ist kein Platz für Gleichgültigkeit. Die Bilder sind ein Appell, der zum Nachdenken anregtund zu mehr Menschlichkeit auffordert.

Christiane Grathwohl, Freiburger Kulturzeitschrift, Kultur-Joker, 2020